Fortsetzung
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Dabei waren Hängematten einmal vor allem praktisch und sparsam. Für die Maya, die sie erfunden haben, und für die gesamte Seefahrt, die sie übernahm, nachdem Kolumbus ihr Potenzial erkannte. Hängematten kann man wegräumen, sie hängen immer im Lot. Spätestens zum Befehl "backen und banken" mussten die Hängematten eingeräumt sein und die Mannschaft fertig zum Essen. Die Matte war auch praktisch für das Militär, die amerikanischen Soldaten, deren Hängematten zusammen mit dem Moskitonetz ein Provisorium für die Nacht in Vietnam abgaben. Tausende von Arbeitern, die den Panamakanal bauten, schliefen kostensparend in Matten, und heute, erzählt Seiler-Baldinger, hat die Matte Asien erreicht - weil die Firmen ihre Produktionsstätten dorthin verlagert haben.

In Deutschland ist die Hängematte irgendwann tchibofähig geworden, aus zwirnhartem Bast mit einem streckenden Querstab aus Holz an beiden Enden. Die Matte sieht auf diese Weise sehr einladend aus, denn sie öffnet sich dem Benutzer entgegen, aber das trügt. Wenn man nicht genau in der Mitte liegt, wenn sie einmal den richtigen Schwerpunkt verliert, dann dreht sie sich blitzartig und ein tiefrotes Muster am Hintern dreht sich im Fallen der Sonne entgegen. Es gibt sie auch mit raumgreifenden Garten-Metall-Gestellen für baumlose Zeitgenossen, denn die 80er sahen eckige, unpraktische Sachen gern. In den 80ern hat man ja auch an das Waldsterben geglaubt und gedacht, es gäbe bald keine Bäume mehr! Die Hängematte in ihrer europäischen Variante ist also mehr ein Symbol für Entspannung, als dass sie die Erfahrung selbst garantiert, das sagen alle, die mal in einem lateinamerikanischen Modell gelegen haben.

Dabei passt die Hängematte zum Gestus des flexiblen Menschen eigentlich ganz gut. Wer sich Rollen unter die Möbel schraubt, müsste auch die Matte mögen. Man muss bloß die Tragkraft einer Wand beurteilen, ein fieses Loch hineindübeln, und die Seile verströmen piratenhafte Anarchie. Nichts für Leute, die makellose Oberflächen lieben. Leider ist die Hängematte bei aller Einfachheit schon so ausgeklügelt, dass sie sich dem Design versperrt. Man kann sie kaum noch verbessern. Es gibt einen Versuch in Leder und auch architektonische Hängekonstruktionen, aber eigentlich haben die Indianer zur Hängematte schon alles gesagt. Und wer sich jetzt noch nicht traut, sich in einem Faulenzer-Möbel erwischen zu lassen, der könnte es sich ärztlich verordnen lassen: Lernen in der Hängematte, heißt es, beugt Rechenschwäche vor. Und wer als Kind früh viel verschaukelt wurde, ist als Erwachsener ausgeglichener.

Es ist alles gar nicht so schlimm, heißt es im Hängematten-Spezialgeschäft in Berlin-Schöneberg. Hängematten sind ein Ganzjahresartikel, immer gefragt, leicht zu transportieren, kleiner als eine Picknickdecke. Alle Schichten kämen in den alternativ angehauchten Laden und kauften Matten, für den Urlaub oder die Wohnung. Über eine Hängematte redet man am besten nicht viel, man hat sie einfach, dann gibt's auch kein Gezeter.

Nur die "taz" verspricht öffentlich und unbeeindruckt als Leserprämie immerhin noch einen Hängesessel.

EINKAUFSTIPPS

Das Buch "Leben & Kunst", in dem der Hängematten-Liebhaber Janosch aus seinem Leben erzählt, und sich mittels eines fiktiven Journalisten selbst interviewt, erscheint im Herbst im Merlin-Verlag.

Hängematten in Tuch- und Netztechnik, die bis zu fünf Personen tragen und auch im Verleih zu haben sind, gibt es in Berlin zum Beispiel [...] unter www.alasiesta.de.

Leichtgewichtige Trekking-Matten aus Fallschirmseide mit eingenähtem Moskitonetz verkauft zum Beispiel Globetrotter. Die Hängematten mit hölzernen Querstreben empfiehlt man hier besser gar nicht (s.o.).

Deike Diening, Tagesspiegel, 2005