Der folgende Artikel über Hängematten wurde am 03.07.2005 im Tagesspiegel veröffentlicht. Autorin ist Deike Diening. Wir geben ihn hier mit freundlicher Genehmigung der Autorin wieder. Die Links entstammen nicht dem Artikel.

Gruppenliegen

Doris Dörrie liest am liebsten in ihrer blauen Hängematte im Garten, Ulla Meinecke, heißt es, hat immer eine Matte im Kofferraum. Und wenn zwei Bäume den richtigen Abstand haben, dann schlingt sie die Seile herum und döst. Die Hängematte ist ein eigenes Paradies, der Blick geht Richtung Himmel, eine leichte, kitzelnde Unruhe löst das Knarzen der Seile aus, von denen man nicht wirklich weiß, nur hofft, dass sie halten. Alles schwingt, leichter Seegang. Gedanken Süd, Süd-West. Man muss nichts anderes tun als liegen und sich des Glücks bewusst sein.

Hängen. Abhängen. Durchhängen - die Hängematte kann nichts dafür, dass sie vor allem als Metapher überlebt. Sie sei ein Möbel für Leute, die kein Bein mehr auf den Boden kriegen, und in der sozialen Hängematte, heißt es, liegen die Faulen dieser Gesellschaft. Dabei ist die Hängematte doch das Paradies!

Sagt jedenfalls Janosch, der Vater der Tigerente: "Die Hängematte verändert den Menschen sehr bald, indem sie ihn leichter in den zu erreichenden Himmel führt, alle übrigen Tätigkeiten unnötig macht. Der Himmel ist also keine Gegend, sondern ein Zustand." Fünf Hängematten schaukeln in seinem Haus und Garten auf Teneriffa, von allen aus kann der Künstler die Sterne sehen. "Der von Gottvater versprochene Himmel findet nicht nach dem Tod statt, sondern sofort."

Ja, Janosch, der nach eigenem Bekunden breite Matten bevorzugt und seine Zeit am liebsten hängend verbringt, dem es doch erst mit 50 Jahren gelang, endlich zwei Befestigungspunkte für seine erste Hängematte zu finden, hält sich als Topfpflanzen Kakteen in Dosen, damit er nicht mal zum Gießen aufstehen muss. In seiner Autobiografie (siehe Kasten) schreibt der 74-Jährige: "Damals drängte es mich auf die Flughäfen, hinaus in die Welt. Dazu brauchte ich Geld. Das aber hatte ich nicht im nötigen Übermaß. Heute drängt es mich in die Hängematte. Richtung geändert. Auch leicht zu erfüllen." Und: "Manchmal liege ich drei Monate in der Hängematte und werfe die gesamte Post weg, lese nur Zeitungen. Ich möchte es aber auf acht Monate bringen."

Aber wer nur an das Glück denkt, unterschätzt die politische Bedeutung der Hängematte. War sie nicht in den 70ern ein fair gehandeltes Revolutionsmöbel, ein Befreiungsmöbel, ein Protestmöbel gegen die Kisten in den Elternschlafzimmern und damit natürlich gegen die Eltern überhaupt? Da war es nicht so schlimm, dass man erst mal nicht orthopädisch sinnvoll protestierte, nämlich längs und nicht schräg in der Matte liegend, mit Knick im Rücken. Orthopäden heißen das gar nicht gut.